Die photogrammetrischen Arbeiten auf dem Oymaağaç Höyük umfassten im Wesentlichen drei Tätigkeitsfelder. Zum einen die tägliche photogrammetrische Dokumentation des Grabungsfortschrittes in allen aktiven Grabungsarealen mittels Luftbild- oder Stabaufnahmen (2014-2016). Weiterhin wurde das unterirdische Bauwerk mit fortlaufender Freilegung sukzessive photogrammetrisch dokumentiert (2011-2017). Und schließlich wurden im gesamten Zeitraum einzelne besondere Funde erfasst und modelliert, wobei die detaillierte Dokumentation der aus der Quellkammer geborgenen Nasshölzer (2018-2019) eine spezielle Herangehensweise erforderte.

Anfangs wurden verschiedene Dokumentationsverfahren (Terrestrisches Laserscanning, Stereophotogrammtrie und Automatische Mehrbildphotogrammetie (Structure from Motion)) getestet. Dabei hat sich die Automatische Mehrbildphotogrammetie (SfM) als geeignetes Verfahren für die Aufnahme archäologischer Objekte erwiesen und wurde erfolgreich in allen Tätigkeitsfeldern für die photogrammetrische Dokumentation eingesetzt. Die nachfolgende Tabelle liefert einen Überblick über die zwischen 2011 und 2019 eingesetzten photogrammetrischen Methoden.

Die Automatische Mehrbildphotogrammetrie ist ein Verfahren, das es ermöglicht aus einer Vielzahl sich stark überlappender und aus verschiedensten Blickwinkeln aufgenommener Bilder ein Objekt detailliert dreidimensional zu rekonstruieren. Dank der Entwicklungen der letzten Jahre ist dieses Verfahren heute vergleichsweise einfach einzusetzen, relativ kostengünstig und findet dementsprechend seit einigen Jahren auch vermehrt in der archäologischen Dokumentation Anwendung. Fotografische Grundkenntnisse und photogrammetrisches Fachwissen sind erforderlich, um gute geometrische und detaillierte Oberflächeninformationen zu erzielen.

Das aufzunehmende Objekt muss lückenlos mit Bildern abgedeckt sein, wobei darauf zu achten ist, dass jeder Objektpunkt in mindestens zwei, besser mehr Bildern aus unterschiedlichen Aufnahmerichtungen abgebildet wird. In den Bildern werden automatisch Merkmalspunkte extrahiert, die denen der anderen Bilder zugeordnet werden, um Verknüpfungen zwischen den Bildern festzustellen. Auf dieser Grundlage können die Orientierungsparameter der Bilder in einer Bündelausgleichung berechnet werden ("Bündel" meint hier alle Abbildungsstrahlen eines Bildes, die durch das Projektionszentrum laufen). Für die genaue Bestimmung des Maßstabs und der räumlichen Ausrichtung der sich ergebenden 3D-Punktwolke können Passpunkte hinzugefügt werden. Die simultane Berechnung der Kamerakalibrierung ist ebenfalls möglich. Die in der Bündelausgleichung ermittelten Objektkoordinaten der Merkmalspunkte bilden bereits eine dünne Punktwolke. In einem weiteren Schritt werden durch Matchingverfahren in geeigneten Stereopaaren dichte farbige Punktwolken berechnet und anschließend zu einem gesamten Oberflächenmodell fusioniert. Das Bild links zeigt die Ergebnisse der einzelnen Prozessierungsschritte: 1-Punktwolke, 2-Vermaschung, 3-Oberflächenmodell, 4-farbiges Oberflächenmodell, 5-texturierte Oberfläche.

Fusion aller Teilmodelle zu einem 3D-Gesamtmodell der Grabung

Am Ende jeder archäologischen Kampagne wurde seit 2009 der letzte Stand durch Befliegung bzw. Stabaufnahmen dokumentiert. Mit Einführung der täglichen photogrammetrischen Dokumentation der Grabung im Jahr 2014 wurde ein Workflow für die Berechnung von 3D-Modellen eingeführt. Somit konnten auch die Daten von 2009-2013 nachträglich modelliert werden. Gemeinsame Basis für die Zusammenführung der 3D-Modelle aus allen Jahren ist das identische Koordinatensystem, in dem alle Daten vorliegen. Auch das unterirdische Bauwerk und die photogrammetrisch erfassten Einzelmodelle liegen in diesem Koordinatensystem vor.

Die Herausforderung für eine Fusion von Datensätzen aus verschiedenen zeitlichen Epochen liegt im Aufspüren von Konflikten und Widersprüchen im Überlappungsbereich der einzelnen Datensätze und deren Bereinigung im 3D-Raum.

Das 3D-Gesamtmodell beinhaltet den jeweils letzten Grabungsstand für die verschiedenen Areale, das freigelegte unterirdische Bauwerk sowie Einzelmodelle von Gräbern. Auch einzelne Nassholzteile konnten zu einem 3D-Modell der Leiter zusammengesetzt und anschließend in das übergeordnete Koordinatensystem transformiert werden, sodass die Leiter nun in ihrer korrekten Lage in der Quellkammer verortet ist.