Tempelgebäude

Auf der höchsten Stelle des Oymaağaç Höyük wurde eine Abfolge von drei monumentalen Gebäuden entdeckt, die alle die gleiche nordwest-südöstliche Orientierung hatten. Alle gehören zudem in die hethitische Zeit bzw. die Spätbronzezeit, die etwa vom 17. bis zum 12. Jahrhundert v. Chr. dauerte. Damals befand sich auf dem Oymaağaç Höyük das Zentrum der hethitischen Stadt Nerik, die eine wichtige Kultstadt war. Anhand von bei den Ausgrabungen zu Tage gekommenen Keilschrifttafeln mit Inventarlisten und kultischen Stiergefäßen und vor allem architektonischen Ähnlichkeiten mit gut erhaltenen Gebäuden aus anderen hethitischen Fundstellen, werden alle drei übereinander liegende monumentale Gebäude als Tempel interpretiert. Nach den hethitischen Texten war der Tempel von Nerik dem lokalen Wettergott geweiht.

Von dem untersten, als Gebäude 3 bezeichneten Tempel (in ROT), blieben nur wenige Reste erhalten. Er ist bis jetzt das älteste in Oymaağaç belegte Kultgebäude und datiert in das 16. vorchristliche Jahrhundert. Darüber lag der sogenannte „Ältere Tempel“ (in GRÜN), der in das 14. Jahrhundert v. Chr. datiert. Zuoberst lag der letzte und am besten erhaltene „Jüngere Tempel“ (in BLAU), der um 1250 v. Chr. gebaut wurde und dann während seiner ca. 50-jährigen Existenz mehrmals umgebaut wurde, bevor er durch einen großen Brand zu Grunde ging. Interessant ist, dass der Tempel einen „archaisierenden“ Grundriss aufweist, der zur Zeit seiner Erbauung eigentlich nicht mehr üblich war.

Die Mauern des jüngeren Tempels waren sehr dick – ihre Breite beträgt 1,60 bis 1,80 m. Auffällig ist die Abfolge von roten und weißen Segmenten in dem erhaltenen aufgehenden Mauerwerk. Dabei handelt es sich zum einen um Lehmziegel und zum anderen um eine amorphe Masse aus verbrannten Kalksteinen, die sich blockartig abwechseln. Ursprünglich waren die Kalksteine in einem Gitterrost aus horizontalen Balken als Füllung eingebracht und sind erst beim großen Brand zu einem heterogenen Konglomerat verschmolzen.

Diese kombinierte Holz-Stein-Lehmziegel Bauweise war charakteristisch für hethitische monumentale Gebäude und ermöglichte es, stabile mehrstöckige Gebäude zu bauen. Es wird angenommen, dass der Ursprung dieser spezifischen Architektur auf den Versuch zurückzuführen ist, große erdbeben-resistente Gebäude zu bauen. Die Region in der der Oymaağaç Höyük liegt ist eine seismisch ziemlich aktive Zone, die immer wieder schwere Erdbeben hervorruft.

Durch die hethitischen Keilschrifttexte sind wir vergleichsweise gut über die Götter, Rituale, Geräte und Opfergaben informiert und haben eine ungefähre Vorstellung von den Aktivitäten in und um die hethitischen Tempel. Große Tempel hatten viele Bedienstete, eigene Lagerräume und Werkstätten. Sie hatten aber auch eigene Einkünfte durch Abgaben und fungierten wohl auch als Zentren für ihre Verteilung.

Der zentrale Hof des jüngeren hethitischen Tempels von Oymaağaç Höyük wäre groß genug gewesen, um auch Menschenmassen am Kult teilnehmen zu lassen, was vermutlich aber nur selten – etwa bei besonderen Anlässen – passierte. Die häufigsten und markantesten Funde aus dem Tempelbereich waren kleine Schalen und Tierknochen, die zu 90% aus Schafen und Ziegen bestehen. Sie geben uns konkrete Hinweise auf Kultpraktiken wie z.B. rituelle Speisungen, die im Tempel stattgefunden haben.

Insgesamt war der jüngere Tempel zum Zeitpunkt der Ausgrabungen jedoch bereits so stark zerstört, dass es sich bei allen Gebäuderesten nur noch um Fundamente handelt. Ehemalige Laufniveaus oder gar Inventare von Räumen sind nur noch an wenigen kleinen Stellen erhalten. Dennoch konnte durch die aufwendige Analyse aller bei den Ausgrabungen zu Tage gekommenen Funde und Befunde viel zur Geschichte dieses weit im Lande der Hethiter bekannten Tempels von Nerik herausgefunden werden.

Stadttor

Im östlichen Bereich der Ausgrabungsfläche kamen Reste einer einst mächtigen Toranlage (in VIOLETT) zu Tage, die am Anfang der späten Bronzezeit (17.–16. Jh. v. Chr.) die hethitische Stadt Nerik sicherte. Diese von den Ausgräbern als Osttor bezeichnete Anlage war sicherlich nicht das einzige Tor der ehemaligen Stadtbefestigung. In vorindustriellen Siedlungen hatten Stadttore stets eine besondere Bedeutung, die weit über die militärische Funktion hinaus ging.

Der Grundriss der Toranlage zeigt einen von zwei mächtigen Türmen flankierten Tordurchgang. An den Seiten der Türme im Norden und Süden setzte jeweils noch eine Befestigungsmauer an, die die ganze Siedlung auf dem Oymaağaç Höyük umschloss und zusätzlich noch auf einem künstlich aufgeschütteten Wall saß. Von dieser Mauer sind jedoch nur vereinzelte Reste ergraben worden. Zwar fielen im Süden Teile sowohl des Tores als auch der Befestigungsmauer der späteren Erosion zum Opfer, doch lässt sich der Grundriss fast vollständig rekonstruieren. Dies ist möglich, da hethitische Toranlagen stark standardisiert waren und von anderen Fundstellen besser erhaltenen Exemplare bekannt sind.

Bei den erhaltenen Mauern handelt es sich fast nur noch um die einstigen Fundamente. Trotzdem lässt sich bei beiden Türmen eine Einteilung in mehrere Räume erkennen. Diese ist jedoch nicht identisch. Der nördliche Turm hat sechs Räume, während der südliche Turm nur fünf aufweist. Allerdings waren nicht alle Räume in den Türmen betretbar. Besonders die vorderen Räume an der Außenseite wurden vermutlich bis zum ersten Stockwerk mit Erdmaterial verfüllt, damit sie bei einer Belagerung nicht einfach durchbrochen werden konnten.

Bei den Ausgrabungen konnte in einem Raum des nördlichen Turmes, der einerseits zur Stadt und andererseits zum Tordurchgang gewandt ist, noch das ursprüngliche Laufniveau erfasst werden; eine Seltenheit bei den Ausgrabungen auf dem Oymaağaç Höyük. Darüber hinaus fand sich das Inventar der letzten Nutzung, bevor das Tor durch einen Brand zerstört wurde. Neben vielen Keramikgefäßen, einer Bronzenadel, einem bronzenen Ring, einem Siegel konnte sogar noch eine in den Fußboden eingetiefte Tonwanne entdeckt werden. Es ist naheliegend zu vermuten, dass all dies Gegenstände der Torwachen waren, die dort stationiert waren, doch kommen auch andere Möglichkeiten in Betracht.

Wie bei vielen Bauresten aus der hethitischen Zeit lassen sich auch an dem Tor mehrere Bauphasen beobachten. Die ältesten Teile der Toranlage müssen schon vor 1600 v. Chr. erbaut worden sein. Aus dieser Zeit ist jedoch nur wenig erhalten. Die meisten heute sichtbaren Baureste stammen aus dem Anfang des 16. Jh. v. Chr., als das Tor massiv umgestaltet bzw. neu gebaut wurde. Dabei wurden manche ältere Fundamente weiter benutzt, während andere versetzt wurden. Das Ende dieser Bauperiode mit der Brandzerstörung lässt sich bisher nur über die Funde aus dem erhaltenen Raum fassen. Das kann im 15. aber vielleicht auch noch im 16. Jahrhundert v. Chr. erfolgt sein. Eine präzisere Datierung ist über die Funde nicht möglich. Sicher ist aber, dass im 14. und 13. Jahrhundert, in Zeiten des Älteren und des Jüngeren Tempels, kein Tor mehr an dieser Stelle existierte. Möglicherweise wurde die Stadt damals erweitert und ein neues Tor an anderer Stelle errichtet.

(Text auf dieser Seite: Oymaağaç-Projekt)