Das unterirdische Bauwerk besteht aus einem Eingangsbereich, dem unterirdischen Treppengang und der Quellkammer. Ein Sondageschnitt wurde 2016 angelegt, um eine mögliche Verbindung zwischen einem Erdloch und dem unterirdischen Treppengang zu klären.
Unterirdischer Treppengang
Zu den wohl spektakulärsten Bauwerken nicht nur der Ausgrabungen auf dem Oymaağaç Höyük, sondern der ganzen hethitischen Archäologie gehört der unterirdische Treppengang, der nach ca. 30 m zu einer Quellkammer führt. Dieses exzeptionelle Bauwerk konnte nach zehn Jahren mühevoller Arbeit erforscht werden. Errichtet wurde die Anlage zu Beginn der hethitischen Zeit um ca. 1600 v. Chr. und war danach fast 800 Jahre durchgehend in Benutzung. Vor allem diente die Quelle wohl der Frischwasserversorgung der Stadt aus dem befestigten Areal heraus, doch wird sie sicherlich auch eine kultische Funktion gehabt haben, denn in den hethitischen Schriftquellen wird eine besondere „Quelle von Nerik“ erwähnt.
Der Eingang zu dem Treppengang liegt zwischen den Tempelbauten und dem Osttor. Ursprünglich war er monumental gestaltet und führte vom Fuße des großen Erdwalls auf dem die Stadtmauer saß in die Tiefe. Heute sind jedoch nur noch Reste des Eingangsbereichs und Walls vorhanden. Konstruiert ist der Treppengang mit einem Kragsteingewölbe, bei dem die nächste höhere Steinreihe immer weiter nach innen vorkragt und am Scheitelpunkt mit einem von beiden Seiten verkeilten großen Stein verschlossen wird. Auch die abwärts führenden Stufen waren aus Stein gefertigt. Der Gang hat durch Steinraub und Erdbeben einige Zerstörungen erlitten, doch ist er nach mehr als 3500 Jahren immer noch stabil. Nur wenige Bereiche mussten gesichert und abgestützt werden. Nach etwa 30 Metern endet der Gang in einer Quellkammer, die ca. 9 m unter der heutigen Oberfläche im Grundwasserbereich liegt. Sie besteht aus einem rechteckigen Becken, vor dem die aus besonders großen Steinen errichteten letzten Stufen des Treppenganges enden.
Vor der Quellkammer befindet sich eine natürliche Höhle, durch die der Treppengang hindurchführt. Diese Höhle befindet sich am äußersten Rand des Travertinfelsens, der den geologischen Untergrund des Oymaağaç Höyük bildet. Ursprünglich hatte diese Höhle wohl eine Öffnung nach außen hin. Im Zuge der Errichtung der unterirdischen Anlage wurde diese Öffnung verschlossen, so dass vom Fuße des Oymaağaç Höyük nicht ersichtlich war, dass hier wohl die wichtigste Wasserquelle der Siedlung lag. Der einzige Zugang war der bereits erwähnte Eingang innerhalb der Stadtanlage. Im Zuge der Ausgrabungen wurde mit einer großen Sondage auch dieser äußere Bereich erforscht.
Quellkammer
Das Herz des unterirdischen Baukomplexes bildet die Quellkammer. Sie liegt ca. 9 m unter der heutigen Oberfläche und besteht aus einem rechteckigen Becken mit Steinpflaster, das von einem Kragsteingewölbe überdeckt ist. Die Quellkammer besitzt eine Grundfläche von knapp 4 x 2 Metern und liegt heutzutage vollständig unterhalb des Grundwasserspiegels.
Aus der hinteren senkrechten Wand ragt ein dreieckig geformter Stein heraus, der in der Mitte eine leichte Vertiefung hat. Von diesem Quellstein rann das Wasser dann in das Becken der Kammer. In dem Becken fand sich jedoch auch noch eine Ausflussinstallation, die aus Holz gefertigt ist und im Rahmen von Umbauaktivitäten dort im 15. Jahrhundert v. Chr. eingebaut wurde. Sie besteht aus einem langen mächtigen Kiefernstamm, der in der Mitte ausgehöhlt wurde. Er führt mit leichter Neigung aus der Kammer heraus. Unklar ist bisher, wohin der Ausfluss führt und ebenso unbekannt ist, wie der Wasserzulauf gesteuert wurde.
Zur Überraschung der Ausgräber fanden sich in der Quellkammer noch etwa 3000 Holzreste, die dort am Ende des 9. Jahrhunderts v. Chr. in einem scheiterhaufenartigem Paket deponiert worden sind. Dadurch dass diese Funde relativ schnell von eingeschwemmtem Sediment überdeckt wurden und die Kammer permanent im Grundwasserbereich lag, waren diese „Nasshölzer“ trotz ihres hohen Alters sehr gut erhalten.
Unter den Nassholzfunden gab es große bearbeitete Stämme, die wohl von kleineren Gebäuden stammen, Alltagsobjekte wie Hacken oder Webschwerter, eine Leiter, die noch an der letzten Stufe des Treppenganges lehnte, aber auch einfach zerhacktes Geäst. Die Holzfunde stammen alle wohl ursprünglich aus der eisenzeitlichen Siedlung auf dem Oymaağaç Höyük und wurden in die Quellkammer gebracht, um dort ein großes Feuer zu entfachen, mit dem die Anlage zerstört werden sollte. Das hat offensichtlich nicht gut funktioniert, weshalb sowohl die Hölzer als auch die Anlage bis heute erhalten geblieben sind. Warum genau die Anlage zerstört werden sollte, bleibt ein Rätsel, doch sind intentionelle Zerstörungen von wichtigen Bauwerken keine Seltenheit in der Geschichte des Menschen.
Sondage
Die Sondage befindet sich am äußersten Rand des Travertinfelsens, der den geologischen Untergrund des Oymaağaç Höyük bildet. Dort befand sich ursprünglich eine natürliche Höhle mit Öffnung nach außen und einer davor liegenden Doline. Beides sind wichtige Indikatoren für Quellwasser, was auch den hethitischen Baumeistern bekannt war. Diese geologischen Gegebenheiten mussten beim Bau des unterirdischen Baukomplexes berücksichtigt werden. So wurde der Treppengang durch die Höhle hindurchgeführt, bevor er an der Quellkammer endet. Die ursprüngliche Öffnung wurde mit großen Steinen verschlossen und die Doline verfüllt. So war von außen nicht erkennbar, dass hier die wichtigste Wasserquelle der Siedlung lag. Der Zugang war nur über den unterirdischen Treppengang möglich, dessen Eingang innerhalb der Stadtanlage zwischen Tor und Tempel lag. All das konnte dank der Ausgrabungen in der Sondage geklärt werden.
(Text auf dieser Seite: Oymaağaç-Projekt)