Fabian Kulik
Die Faszination für die Kartographie liegt nicht allein in der Verwendung von Karten als technisches Werkzeug, sondern offenbart eine tiefe Verbundenheit mit der Welt. Jede Karte ist ein modellhaftes Abbild, das die komplexe Realität reduziert und gleichzeitig neu interpretiert. Dieser Balanceakt stellt den Kern dieser Arbeit dar. Karten sind mehr als reine Orientierungshilfen, sie strukturieren unsere Wahrnehmung von Landschaften und beeinflussen, wie wir die Umwelt erleben und mit ihr interagieren.
Vor diesem Hintergrund widmet sich die Arbeit der Entwicklung einer Karte für den Nationalpark Berchtesgaden. Der 1978 gegründete Nationalpark in den bayerischen Alpen ist Deutschlands einziger alpiner Nationalpark. Auf einer Fläche von 210 Quadratkilometern vereint er markante Gipfel, tiefe Täler, glasklare Seen und eine vielfältige Flora und Fauna. Neben dem Erhalt der natürlichen Umgebung fördert der Park nachhaltigen Tourismus und bietet Besuchern ein Netz aus Wanderwegen sowie Bildungsangebote, die für Naturschutz und ökologische Zusammenhänge sensibilisieren.
Ziel dieser Arbeit war es, die landschaftliche Einzigartigkeit des Parks adäquat darzustellen und zugleich eine kompakte, übersichtliche Nationalparkkarte im Maßstab 1:50.000 zu entwickeln. Die Analyse zeigte, dass viele bestehende Karten deutscher Nationalparks in ihrer Konzeption häufig überladen sowie ästhetisch und funktional unzureichend sind. Aufbauend auf dieser Erkenntnis entstand ein funktionales, klares Designkonzept, das sich an den etablierten Standards des US-amerikanischen National Park Service orientiert, dessen Karten seit über einem Jahrhundert als koordinierte und qualitativ hochwertige Referenz gelten.
Die gestalterische Umsetzung folgt den Grundsätzen des kartographischen Realismus, einer Darstellungsweise, die maßgeblich vom US-Kartographen Tom Patterson geprägt wurde. Dieser Ansatz erfasst das Wesen der natürlichen Landschaft im Kartenbild, ohne dabei abstrakte Elemente zu vernachlässigen. Durch die Reduktion komplexer Symbole und die Schaffung ästhetischer Reize fördert der Realismus die intuitive Erfassbarkeit der Informationen. In einer zunehmend visuell geprägten Welt mit begrenzter Aufmerksamkeitsspanne schafft dieser Stil eine Balance zwischen Klarheit und Anziehungskraft.
Die Arbeit kombiniert umfassende Vor-Ort-Recherchen mit detaillierter kartographischer Feinarbeit. Neben der Analyse des Untersuchungsgebiets sowie seiner historischen und ökologischen Grundlagen wurden bestehende digitale und analoge Kartenwerke sowie Geodaten systematisch verglichen. Die gewonnenen Erkenntnisse flossen in die Umsetzung thematischer Schwerpunkte ein, etwa Gelände, Infrastruktur und Besucherverhalten.
Das Ergebnis des iterativen Entwicklungsprozesses ist eine Printkarte im Format 63 x 42 Zentimeter, die als Prototyp für die Rückseite der offiziellen Parkbroschüre konzipiert wurde. Begleitet wird die Karte von einer fundierten fachlichen Auseinandersetzung mit dem Entwicklungsprozess. Nach abschließender Validierung ist vorgesehen, die Karte Besuchern des Nationalparks Berchtesgaden zugänglich zu machen und sie als Grundlage für zukünftige Weiterentwicklungen zu nutzen, etwa für Detailkarten und Jahreszeiten.